Geschichten:Krähen, so weit das Auge reicht - Wiedersehen

Aus TobrienWiki
Version vom 21. April 2020, 05:22 Uhr von VolkoV (Diskussion | Beiträge) (VolkoV verschob die Seite Geschichten Krähen, so weit das Auge reicht - Wiedersehen nach Geschichten:Krähen, so weit das Auge reicht - Wiedersehen, ohne dabei eine Weiterleitung anzulegen)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Mark Vallusa, einige Meilen nach der Mündung der Linnhe in die Tobrische See, Frühjahr 1041

„Ich weiß nicht, ob ich noch lebe oder schon tot bin“, wimmerte Sulwen, die mit ihrem Oberkörper über der Reling des Bootes hing und mit ihren Fingerspitzen die Oberfläche des Wassers berührte.

Darauf meinte Tangwyn trocken: „Untot trifft’s ziemlich gut.“

Branwen lachte, wurde dann aber wieder ernst: „Ruder, Knappe. Ruder!“ Zu ihren Füßen lagen mindestens ein Dutzend Fische.

„Sehr wohl, Frau Mutter“, erwiderte der Knabe da mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen.

„Und nenn mich gefälligst nicht immer Frau Mutter!“, grummelte die Ritterin da.

„Warum denn nicht?“, er zuckte mit den Schultern, „Tangwyn tu dies, Tangwyn tu das oder Tangwyn tu dies nicht, Tangwyn tu das nicht, redet eine Mutter nicht so?“

„Ja, eine Mutter schon. Aber du bist bei mir seid dem du...“, sie überlegte.

„Seit kurz nach meiner Geb... ?“, half der Knabe da nach.

„Ich muss tot sein!“, entfuhr es da Sulwen plötzlich. Sie richtete ihren schlaffen Oberkörper auf und wandte ihren Kopf in Richtung Hauptinsel. Ihr Gesicht war noch immer kreidebleich, aber nicht mehr Grün, es gab ohnehin nichts mehr, was sie von sich geben hätte können.

Nun streckte sie ganz langsam, erschreckend langsam, ihren Arm auch in Richtung Hauptinsel auf. Aufgewühlt rief sie: „Da. Da. Da!“

„Jetzt ist sie total übergeschnappt“, seufzte die Ritterin.

Der Knabe lachte: „Und das ist was Neues?“

„Schaut doch. Schaut doch!“, gab Sulwen einfach nicht nach, „Da. Da!“

„Also, was soll das jetzt mit der Frau Mutter?“, wandte sich nun Branwen wieder an ihren Knappen. Zu Wort kam der jedoch nicht, denn Sulwen kam dazwischen: „Ja, bin ich denn in den Niederhöllen gelandet? Da. Da! Die alte Hexe!“


Im Hafen auf der Hauptinsel stand eine Frau. Der Wind zerrte an ihrem langen, schwarzen Zopf. Löste einzelne Haarsträhnen heraus. Das graue Wolltuch zog sie sich enger um die Schultern. Es war bereits später Nachmittag und der Wind wehte kalt von der Tobrischen See ins Land herein, zudem sank die Praiosscheibe langsam und mit ihr verschwand auch ihre wohltuende Wärme. Abgesehen davon, wehte hier immer ein schneidender Wind.

Sie war keine besonders markante Gestalt, von durchschnittlicher Größe und Aussehen, niemand der einem in Erinnerung blieb. Nur ihre Augen, ihre dunkelbraunen Augen, an die konnte sich der ein oder andere gewiss durchaus erinnern.

„Na, schau mal einer an“, kommentierte die Ritterin, etwas verwundert, weil sie alle angenommen hatten, auch sie sei gefallen, „Wen haben wir denn da?“

„Schwesterchen“, erwiderte der Knabe und war genauso verblüfft wie seine Schwertmutter, „Das ist... Schwesterchen!“

„Halb...“, korrigierte Sulwen da, „... schwesterchen. Halb.“

Tangwyn legte eilig die letzten Schritt bis zur Hauptinsel zurück. Neben einem kleinen, etwas heruntergekommenen Drachenboot, legten sie an. Sulwen war die erste, die aus dem Boot sprang. Direkt hinter ihr folgte Tangwyn.

„Na, hast du mal wieder Fische gefüttert, Seemöwe?“, frotzelte Iorwen, nachdem Sulwen wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

„Schnauze!“, schimpfte sie zornig, „Warum bist du eigentlich nicht tot, du alte Hexe?“

„Diesen Gefallen konnte ich dir nun wirklich nicht tun...“, erwiderte die andere keck.

„Kannst gleich wieder gehen. Hier braucht dich keiner!“, damit stapfte sie zornig in Richtung Burg davon.

„Die ist auch nur älter geworden“, kommentierte Iorwen seufzend. Anschließend fiel ihr Blick auf Tangwyn.

„Schwesterchen“, grüßte der Knabe förmlich, während er das Boot im kleinen Hafen, der den Namen eigentlich gar nicht verdient hatte, neben dem Drachenboot fest machte.

„Ach je! Du bist ja überhaupt nicht gewachsen, Brüderchen! Wie kommt’s?“

„Ich bekomme einfach nicht genug zu essen!“, erwiderte der Knabe schulterzuckend, „Die fressen mir immer alles weg!“

Da musste die Frau lachen: „Genauso habe ich mir dich vorgestellt...“

Ein zufriedenes Grinsen legte sich über Tangwyns Gesicht.

Sumpfohreule“, grüßte nun die Ritterin nickend Iorwen, die ihr aus dem Boot half.

Sturmschwalbe“, erwiderte die andere. Dann fielen sie sich in die Arme.

„Es ist schön, dass du noch am Leben bist.“

„Kann ich nur zurückgeben.“

Sie trennten sich.

„Wo warst du?“, wollte Branwen wissen.

„Im Wald. Ich habe den Eulen gelauscht“, erwiderte sie ganz wie in Kindertagen.


5. Ing 1041 BF am Abend
Wiedersehen
Tobrische See


Kapitel 2

Schon wieder Fisch?
Autor: Orknase